Montag, 4. März 2019

Von Diktatoren, Digitalisierung und Ethik

Digitaliserung und Ethik

Von natürlicher und künstlicher Intelligenz - eine ethische Herangehensweise
 Von natürlicher zu künstlicher Intelligenz -
 wohin steuert unsere digital geprägte Gesellschaft?
 (© gemeinfrei - geralt / pixabay) 

Vergangenen Donnerstag hatte ich die seltene Gelegenheit, live vor Ort einem Vortrag von Prof. D. Harald Lesch beizuwohnen. Das Thema: "Von natürlicher Intelligenz & künstlicher Intelligenz - ein Abend für Betroffene". Träger der Veranstaltung war die Bürgerstiftung Haar, denen auch der Reinerlös des abendlichen Seminars zugute kam. Eine rundum gute Sache, wie ich finde.

So trafen sich im Bürgersaal in Haar rund 500 Interessierte (grob geschätzt), um den gewohnt kurzweiligen, mitunter witzigen, manchmal aber auch nachdenklich stimmenden Ausführungen des berühmten Astrophysikers zu lauschen.

Anders, als ich es eigentlich erwartet hatte, ging es an dem Abend aber nicht vorrangig um Künstliche Intelligenz, vielmehr stellte der Professor unsere Natürliche Intelligenz - oder den Mangel derselben - in den Vordergrund, und auch in Frage.


Gelddruckmaschine Digitalisierung


Schon eingangs wurde schnell klar, worauf Professor Lesch abzielt: die allseits übermächtige Digitalisierung und warum dieses Thema aktuell mit derart vehementer Impertinenz in die Gesellschaft getragen wird. Warum also Digitalisierung? Die Antwort ist so klar wie einleuchtend: unsere Wirtschaft sucht nach neuen Mitteln und Methoden, den Konsum weiter anzufächern. Sie wollen an unser Geld!

Als wenn das nicht schon ausreicht: Es gibt auch noch eine ganz andere Begehrlichkeit, warum Themen wie Digitale Transformation, Cloud, Big Data, IoT - letztlich die gesamte Vernetzung von allem und jedem - derzeit mit solchem Nachdruck und viel politischer Lobby-Arbeit vorangetrieben wird. Ja, wir sind wieder bei den Daten: Information zählt, je mehr man davon hat, desto mächtiger (und reicher) ist man. Daten sind das neue Öl im Hier und Jetzt.

Vom digitalen Diktator


Während des Abends fiel immer wieder der Begriff des digitalen Diktators. Na, erraten, um was es hierbei geht? Richtig: das Smartphone als unser ständiger Begleiter. Vorbei die Zeiten, in denen zufällig aufeinander treffende Menschen, beispielsweise im Zug, sich miteinander austauschen. Oder man sich bei einem Fremden nach dem richtigen Weg erkundet. Heute fragt man sein Smartphone.

Der Mensch und seine natürliche Intelligenz - durch Digitalisierung entmündigt
Was ist wichtig, was unrelevant? Diese Entscheidung trifft
bei vielen längst das Smartphone. Der Mensch und seine
natürliche Intelligenz - entmündigt.
(© - gemeinfrei - geralt / pixabay)
Auf einmal ist alles wichtig, was einem sein Smartphone mitteilt, ganz gleich wie lapidar die entsprechende Information überhaupt ist. Das Smartphone entscheidet längst, was es uns mitteilt, und wir fallen wie die Lemminge auch noch darauf rein; ganz gleich ob es sich um absolut irrelevante Dinge handelt, oder vielleicht doch um etwas gerade nützliches. Wir gehorchen aufs Wort und sehen nach einem Ton oder einer Vibration des Geräts sofort nach. Damit wird eine zufällig stattfindende Unterhaltung mit einem echten Mensch in Leib und Blut bereits im Keim erstickt. Das Smartphone hat einem ja nahezu immer etwas mitzuteilen...

Über Risiken und Nebenwirkungen informiert dann - wenn Alexa, Cortana, und "OK Google" auf all Eure Fragen auch keine Antwort mehr haben - der persönliche Psychiater, oder aber das nächstgelegene BKH. Ist aber nicht einfach: nach dem Eingestehen, dem Digitalisierungs-Wahn völlig verfallen zu sein folgt Demut, dann die totale Zäsur, und dann irgendwann vielleicht Kraft & Elan, die es für ein radikales Umdenken braucht. Nur so am Rande angemerkt.

"Gebaut, um den Atem zu rauben"


Der Slogan von BMW, der im Zuge einer Werbekampagne zu der neuen 8er-Reihe bereits Ende 2018 für einigen Shitstorm sorgte, trifft das ganze Dilemma eigentlich auf den Punkt. Gewohnt zielsicher macht Professor Dr. Harald Lesch sich auch dies Bespiel zum Gegenstand seines Vortrags: Vor dem Hintergrund der nicht endend wollenden Abgas-Diskusssion eine Perversion, derer sich die Marketing- und PR-Profis der Bayerischen Motoren-Werke schon im Vorfeld hätten klar sein sollen. Aber Nein: man spendierte der Süddeutschen Zeitung sogar extra dafür eine eigene Beilage, in Hochglanz und Übergröße versteht sich.

Das zeigt einmal mehr: der Perversion sind keinerlei Grenzen gesetzt. Die Grenzen müssen vielmehr aus der Gesellschaft, von jedem einzelnen von uns, den Individuen, von Dir und mir kommen: solange wir alles hinnehmen, was uns Wirtschaft und Politik zum Fraß vorwerfen, wird sich hier auch nichts ändern. Schlimmer noch: die Situation spitzt sich unangenehm zu.

Daher mein Appell: nicht alles was neu und als 'hip' oder 'mega' deklariert wird, muss man annehmen. Überlegt erst, was Ihr wirklich braucht, was Sinn macht; andernfalls sind wir auf Gedeih und Verderben dem Kapitalismus verfallen (und damit vielleicht dem Untergang geweiht) und spätestens dann den Lemmingen nicht mehr unähnlich - wobei: die echten possierlichen Nagetiere leben noch!.



Abschließende Leseempfehlung


An dieser Stelle empfehle ich auch die Lektüre des Beitrags "Wenn Maschinen die Schulbank drücken". Dort dreht sich alles über die digitale Daten-Sammelwut in der heutigen Welt und den schon recht weit fortgeschrittenen Entwicklungen in Sachen Künstlicher Intelligenz. Da kann einem schon Angst und Bange werden, unheimlich ist dieser Trend aber auf jeden Fall ...